CORONA-BLOG

Tag 109 (Countdown 1)

Zum vorletzten Tag unserer kleinen Corona-Blogs ein sinniges Rencontre. Am letzten Februar-Wochenende, bevor der Lockdown losging, war ich im Tessin auf Reportage. Es mutete damals schon seltsam an, so nah von Italien zu sein – sollte ich nun die Hände der Hobbyfischer schütteln, die ich traf? Zumal: Lugano war fast ausgestorben, die Einheimischen blieben zu Hause, die Touristen kamen gar nicht erst, der Schock sass also schon tief. Jedenfallls schüttelte ich natürlich die Hände (und desinfizierte sie irgendwann, mehr oder weniger unauffällig, tja). Nichtsdestotrotz blieb ein mulmiges Gefühl zurück. Trug ich den Virus vielleicht sogar in mir, ohne es zu merken? War ich ein Superspreader (ich weiss, der Begriff kam viel später), ohne selber Symptome zu zeigen? Ich denke nicht. Sonst hätte es die Menschen in meinem Umfeld sicherlich reihenweise umgelegt….
Jedenfalls macht heute mein Halbbruder auf Durchreise von Deutschland nach Italien bei mir Halt: zum Abendessen und übernachten, bevor er morgen früh mit seiner schwangeren Freundin L. nach Italien weiterfährt. Eine seltsame Koinzidenz: Die Vor-Lockdown-Zeit und das Fast-Blog-Finale tragen das gleiche Signum: die Nähe zu Italien.
Mein Halbbruder F. ist der jüngere der beiden Söhne, die aus meines Vaters zweiter Ehe hervorgingen. F. ist 34, mein Sohn F. 35. Mein Halbbruder ist als Onkel also jünger als mein Sohn. Halbbruder F. lebt mittlerweile in Deutschland, da er trotz Studium in den Abruzzen keine Arbeit gefunden hat. Und den Rest wird er demnächst selber erzählen…

Una parte della famiglia: Halbbruder F.
mit Freundin, Nichte, Bruder e io.

Tag 108 (Countdown 2)

Geht ja: Da ist sie nun endlich, die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln. Und die Liste von heikeln Ländern, in die zu reisen nur möglich ist, wenn man sich anschliessend in Quarantäne begibt. Nur: Absurderweise bleiben die Clubs weiterhin geöffnet, man kann nur hoffen, dass wenigstens ein besser organisiertes Kontrollkonzept vorliegt… Und nun? Heisst es wieder mal warten. Warten, wie sich die Zahlen weiterentwickeln. Also weiterhin Sorge tragen, meine Lieben!

Tag 107 (Countdown 3)

“Hey, Bunny, was soll das werden? Wieso trainierst du nicht, du schwarze Arschgeige? Ich bin hier ganz allein.” – “Hat er grade schwarze Arschgeige gesagt?” -“Ja, hat er.” – “Das geht nicht. Das ist rassistisch.” – “Aber du bist schwarz, und du bist ne Arschgeige. Das sind Fakten. Ich schätze, Primetime ist deine Hautfarbe völlig egal.” – “Dass ich schwarz bin, hat nichts damit zu tun, dass ich eine Arschgeige bin.” – “Er hat nicht gesagt: Alle Schwarzen sind Arschgeigen. Er hat dich gemeint. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Und ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und behaupten: Es war ein Ausdruck seiner Zuneigung.” – “Primetime ist ein Gipsy. Ich würde ihn nie Zigeunerarschgeige nennen.” – “Wieso nicht? Dafür hätte er sicherlich Verständnis. Natürlich nur, wenn es von Herzen kommt.”

Was für ein Dialog! Eine Liebeserklärung an alle Menschen aller Hautfarben und gleichzeitig eine Breitseite gegen verkorkstes Getue. Die Szene spielt übrigens in einem Boxclub. Die, die sich liebevoll blöd anmachen, sind Boxschüler, der mit den gescheiten Voten ist der Coach, der seine Jungs auf den rechten Weg führen will. Das ist nur eine von vielen grossartigen Szenen aus einem Film, der im Gangstermilieu Londons spielt. Wer will schon britische Bandenfilme sehen?, mögt ihr fragen. Ich sage: Wenn der Film von Guy Ritchie ist, jederzeit! “The Gentleman” heisst das Oeuvre und ist, wie gewohnt von Ritchie, ein cleveres Stück Film, was auf den Punkt kommen von Geist, Bild und Timing angeht. (Wen kümmern schon die Inhalte 😀 )

Tag 106 (Countdown 4)

Ein Ausflug durch die Möbelhäuser nahe Zürich mit K. (ein klein wenig frustrierend, um ehrlich zu sein, notabene was das jämmerliche Angebot angeht, nicht den Ausflug mit K.), dann – wieder zu Hause – endlich wieder ein Ausflug in die nahen Wälder. Ich mag es, wenn beim steilen Aufwärtsgehen in der nachmittäglichen Hitze einzelne Schweisstropfen langsam vom Nacken den Rücken hinunterflutschen und sich auf ihrem Weg nach Irgendwo in Nirgendwo auflösen.
So langsam nähern wir uns dem Ende unseres kleinen Corona-Blogs, nur ist blöderweise Corona auch nach 106 Tagen noch nicht am Ende. Die Fallzahlen steigen wieder, die Bereitschaft, die Gegenmassnahmen (Abstand, Desinfektion) diszipliniert einzuhalten, ist sozusagen reziprok zum Sommerhoch im Sinkflug. Das gefällt ganz und gar nicht. Also: Hände waschen, wo immer möglich desinfizieren, lieber einmal mehr, als einmal weniger die Maske überstreifen – und…? Keine Ahnung, um ehrlich zu sein. Einfach immer schön wachsam bleiben, gell. A domani, ragazzi!

Tag 105 (Countdown 5)

Erstmals seit dem Zehenbruch vor exakt fünf Wochen wieder spazieren gegangen, kreuz und quer durch die Reben im Lattenberg, nicht zu steil, aber zügig und immerhin zehntausend Schritte hin und her durch die reifenden Trauben. Das Ende der Bewegungslosigkeit naht, ihr hängengebliebenen Kilos, nehmt euch in acht!
Ansonsten mich newsmässig wieder ins Bild gesetzt. Vom Superspreader im Zürcher Club ebenso verspätet erfahren wie vom Dödel Trump, der anhebt, auch sein letztes Trümpflein zu verspielen. Vom megalomanen Briten, der sein Land in eine neue imperiale Ära steuern will – und es vermutlich Vollgas mit 2 PS in die Sackgasse reitet. Und – angesichts der drohenden zweiten Welle – vom Aufruf zum Maskenzwang im ÖV. Was spricht eigentlich dagegen? Die Einschränkung der Freiheit oder die Beibehaltung der Freiheit, krank zu werden? Erfreuliches haben die Medien ansonsten nicht zu berichten, aber das ist auch nicht ihr Kerngeschäft. Leider.

Tag 101-104 (Countdown 9-6)

Burgund. Eine erste Reise ins nahe Ausland. K. und ich haben versucht, uns im Vorfeld kundig zu machen: Ist irgendetwas speziell beim Grenzübertritt, müssen wir im Auto schon Masken tragen, und wie siehts in Frankreich aus mit der Maskenpflicht? Aber da es anscheinend keine Regelungen gibt, konnten wir auch nichts rausfinden. Also losgedüst, problemlos durchgefahren und einmal mehr in diesem schönen Haus von R. (mit immer herzlichem Dank fürs Gastrecht!) angekommen:

Hier kommt man gerne an: Haus von R. im Burgund.

Ankommen, reden, runterfahren, Billard spielen. Tags darauf eine erste Erkundung in Gestalt des nahen Supermarchés: Aha, keine Maskenpflicht, aber viele tragen sie, und auf die Benützung der Desinfektionsmittel wird Wert gelegt wie hierzulande. Ich lerne bei den Supermarché-Aufenthalten von K., die Masken korrekt zu benutzen (hab sie bislang tatsächlich verkehrt herum getragen, haha). Reden, runterfahren, Billard spielen. Nebenher mein neues Handy dank K. fit gemacht, was dringend notwendig war, weil auf dem alten die Navi-Apps nur noch per Zufall funktionierten und die Installation der Tracing App ein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre. Einkaufen, reden, runterfahren, am neuen Handy rumbasteln, den ganzen Abend lang Billard spielen: Genau das haben wir drei Tage lang wiederholt – mit überaus hohem Tiefenerholungseffekt. C’était – une fois en plus – vraiment merveilleux! Und wie gehts euch allen da draussen?

Tag 98 (Countdown 12)

Ein neues Handy erworben, sogleich auch ein passendes Etui, nach Hause getragen, aufgeladen, neben das alte Handy gelegt, auf dass die iCloud alles übertragen werde. Und als die beiden Handys miteinander ratterten und einen eigentümlichen Austausch pflegten, stolz dem Lieblingssohn berichtet, dass ichs alleine geschafft habe und es sei ja gar nicht so schwer. Falsch gedacht. Denn kein einziges App, das ich brauche, ist auf dem neuen iPhone angekommen. Und da das Handy heutzutage nicht einfach nur Handy ist, sondern quasi ein Kleinbüro mit Zahlstation, Tickets, Nachrichtencenter, habe ich das neue Handy unverrichteter Dinge wieder in die Box gelegt. Auf dass es vom Sohn dereinst aus dem Dornröschenschlaf erweckt werde… Tja.
PS: Wie man mir tags darauf beschied, kommt niemand darum herum, sein neues Handy, auch wenn es mit dem alten korrekt konfiguriert ist, von Hand wieder mit all dem auszustatten, was das Kleinbüro ausmacht. Will heissen: Frau hat alles richtig gemacht, muss jetzt aber noch ein paar Stunden in die dringend notwendigen persönlichen Anpassungen investieren… Super-Tja.